Mittwoch, 5. Januar 2011

Monatsbericht Dezember

Der Dezember war eine Zeit absoluter Tiefpunkte. Gleich am Anfang dieses Monats erfuhr ich, dass mein geliebtes Pferd gestorben ist. Es ist sehr schwer für mich, das hier in Indien zu realisieren, da ich ihn ja sowieso ein Jahr lang nicht gesehen hätte. Somit ist es leicht, das Ganze einfach zu verdrängen, ich fürchte aber, dass der Schock mich in Deutschland treffen wird, wenn meine Tageshauptbeschäftigung (das tägliche Radeln zum Stall und mein stundenlanger Aufenthalt dort) und mein liebster Freizeitpartner einfach fehlen. Werde glücklich im Pferdehimmel, kleiner Gulli
Nach dieser Nachricht viel ich in ein Tief und ich sah alles schwarz, schwarz, schwarz. Durch die Schultage schleppte ich mich nur und auch an manchen Nachmittagen konnte ich mich nicht zusammenreißen und musste meiner Familie immer wieder erklären, warum ich denn so viel „feeling“ habe (unser gemeinsames Wort für traurig sein), sie können es nicht richtig verstehen, wie man sein Herz so sehr an ein Tier hängen kann, die indische Mentalität ist eben eine vollkommen andere (sie verstehen es auch nicht, dass mir der Anblick von in Käfige gequetschten Hühnern keine Freude macht, für sie scheint das ein bisschen wie eine Art Unterhaltung zu sein...). Trotzdem litten sie mit mir und versuchten mich mit Essen und „Carina, no feeling“, zu trösten.
Nach ein paar Tagen beruhigte ich mich dann auch und schob das Thema „Gulli ist tot“, in die hinterste Ecke. Meistens schaffe ich es auch erfolgreich, die eiserne Tür mit den 10 Balken davor, geschlossen zu halten.
Ich durchlitt noch ein teuflisches Wochenende, an dem mich echt Depressionen befielen und ich sämtliche Leute mit meinen Gefühlen belastete, danke fürs Zuhören =)
In der Nacht zum Montag scheine ich Massen an positiver Energie empfangen zu haben (danke fürs Senden =)), denn seit diesem Montag, geht es mir besser dennjeh. Ich sammelte fleißig Ideen, wie ich den Unterricht sinnvoller gestalten kann (danke für die Mails, liebe Chinesen =), und hatte auch selber einige Einfälle, die ich jedoch im Dezember nicht mehr umsetzen konnte. Nach dem Ende meiner Depressionszeit schrieben die Schüler passenderweise ihr Examen (ich half zwar, sie für den jeweils nächsten Test vorzubereiten, für eigene Unterrichtsideen blieb jedoch keine Zeit) und anschließend daran gab es dann Ferien. Zusammenfassend muss ich also gestehen, dass ich der Schule im Dezember keine große Hilfe war (abgesehen davon, dass ich den Kindern mit meiner weihnachtlichen Schuldekoration: weihnachtlichen Bilder, Kerzen und Tannengrün-bekam ich in einem Päckchen gesendet, Tannen gibt es hier ja nicht-, eine kleine Freude machte. Einige brachten in den folgenden Tagen auch selber Grünzeug mit, das wir dann an die Wände klebten), ich mir jedoch fest vorgenommen habe, die neuen Unterrichtsideen im neuen Jahr auch umzusetzen (und ich kann ja schonmal vorgreifen: Gleich am ersten Schultag, am 3 Januar, verfasste jeder Schüler einen Steckbrief und bemalte diesen, sodass unser Schulbunker jetzt sehr viel netter aussieht und eine persönliche Note der Kleinen trägt =)
Im Dezember besuchte ich das erste Mal für 2 Tage mein altes Zuhause in KGF (es ist drei oder auch vier Stunden entfernt, je nach dem, ob der Bus eine Stunde irgendwo im Nirgendwo dumm herumsteht oder nicht). Dort verbrachte ich den ersten Tag alleine mit unseren Krankenschwestern (es war vielleicht komisch, so von Angesicht zu Angesicht 'mal wieder deutsch zu sprechen, wirklich, ein merkwürdiges Gefühl, aber nicht unangenehm ;) genießt es, dass ihr das immer könnt :)) und am nächsten Tag waren alle Freiwilligen vereint. Wir verteilten im Garten von Prabhus Haus Saris und Essen an von ihm auserwählte, arme Frauen, was von einem Tei unserer Spendengelder finanziert wurde.
Der Dezember neigte sich dem Ende und damit auch Weihnachten endgegen. Hätte ich nicht gewusst, dass es auf Weihnachten zugeht, hätte ich es nicht bemerkt: kein Schnee (um eure Tonnen beneidete ich euch schon ““““ein wenig““““), keine Weihnachtsmärkte, Temperaturen wie im Hochsommer, kurz gesagt: so wenig Weihnachsstimmung wie es bei euch angenehm gewesen wäre, in Hochsommerkleidung draußen zu grillen. Trotzdem war ich auch dankbar, dass ich das nicht miterlebte, dieses gefühlsduselige Weihnachtsfest hätte ich so kurz nach Gullis Tod bestimmt nicht gut verkraftet.
An Weihnachten selbst (hier ist Heiligabend der 25 Dezember)zündete ich die Kerzen in der Schule an und verteilte Schokolade an die Kleinen. Zuhause dekorierte ich unseren Esstisch und hängte Zeitungsbilder (kamen auch in einem Päckchen) von den deutschen Schneemassen auf(habe ich im Novemberbericht eigentlich erwähnt, dass im indischen Fernsehen von eurem deutschen Schneechaos berichtet wurde? Scheint ja echt der Bringer gewesen zu sein ^^).
Meine Familie besteht nur aus Hindus, Weihnachten geht also völlig an ihnen vorbei, trotzdem kochten sie (ich half natürlich wie immer) mir zuliebe (ich schwärmte soviel von Weihnachten)das indische Festivalsessen Chicken Briyani(was ich eigentlich gar nicht so gerne mag ;)). Joaa, ich besuchte dann noch Praveena, unsere englischsprachige Nachbarin, ging mit Hühnern aufs Klo und beendete den Tag bei einem sehr unweihnachtlichen Film vor meinem Laptop. Ein sehr weihnachtliches Weihnachten war das =)
Sylvester war so normal wie Weihnachten: ich fuhr mit unseren Krankenschwestern nach Bangalore (die nächste größere Stadt), dort shoppten wir den Tag über (apropos Geld, fällt mir bei dem Wort Shoppen so ein, ich habe keine Ahnung, wieso mein Geld so knapp geworden ist, wo doch hier alles so spottenbillig ist...)und entschlossen dann spontan, einfach in Bangalore zu bleiben und zu gucken, was denn hier an Sylvester so passiert. Alternativ gab es noch die Idee, den Abend vor dem Laptop zu verbringen, was uns aber allen sehr wenig sylvesterlich vorkam ;) Wir vertrödelten die Zeit also bis zum späten Abend damit zu essen, einzukaufen, zu essen, Bus zu fahren, zu essen und kleine Spaziergänge zu machen. Gegen halb 11 erreichten wir dann wieder die Haupteinkaufsstraße und waren etwas geschockt von dem Anblick: ich habe noch niemals so viele Männchen auf einem Haufen gesehen. Frauen gab es nicht (okay, ich sah 2). Auf der Straße liefen ausschließlich grölende Männer in unserem Alter und etwas älter herum. Die Polizei warnte uns, dass wir aufpassen müssen, es könnte gefährlich werden. Wir hielten uns also außerhalb und verspeisten zu zweit ein Chiabatta-brot und ein gesamtes Glas Nutella (als ich nach Monaten das erste Mal wieder ein Nutellaglas sah, musste ich es einfach kaufen), aber mein Magen ist solche Mengen ja gewohnt und somit war mir nach diesem Nachtisch fast nicht schlecht (es war wirklich nur ein Nachtisch, kurz vorher aß ich ein Parotha, Curd und eine anständige Portion Reis ;)). Gestärkt wagten wir uns wieder in die Masse und warteten darauf, dass etwas passieren würde. Jaaa, einen Countdown oder sonst etwas was an Sylvester erinnert hätte, gab es nicht, wir mussten auf unsere eigenen Uhren gucken. Ganz super, auf meiner Uhr war es fünf vor 12, auf anderen Uhren fünf nach 12, eins vor 12, zwei nach 12 oder punkt 12. Somit kann ich nicht genau sagen, wann jetzt eigentlich Sylvester war. Innerhalb einer Zeitspanne von ca. 10 Minuten war jedoch bei allen Sylvester (Raketen sah ich 2 am Himmel und geknallt wurde gar nicht)und nach und nach fingen die Jungs zu grölen an und wurden mutiger, was heißt, dass wir nach kurzer Zeit umkreist waren und an den unmöglichsten Stellen betatscht wurden. Sehr angenehm war das nicht und wir bahnten uns einen Weg zu Polizisten, die uns mit Stöckern verteidigen mussten. Wie die Löwen wurden uns die Kerlchen vom Hals gehalten und uns wurde dringend empfohlen, diesen Ort zu verlassen. Dieser Idee stimmte ich ohne den geringsten Einwand zu. So fuhren wir im Tuck-Tuck zum Bahnhof und verbrachten dort unsere Sylvesternacht (der erste Zug nach KGF fuhr um halb sieben...). Ich nahm mir meinen Schal als Unterlage, um keine Blasenentzündung zu bekommen, und legte mich auf den weichen Bahnhofsboden zum Schlafen. Alter, verdammt, war das kalt, so im kurzärmligen Shurida auf nicht gerade warmem Boden und zeitweise ziemlich mieser Zugluft da herumzuliegen. Ich konnte jedoch ein bisschen schlafen, stellte mich aber auf eine miese Erkältung ein (die kam dann auch, dauerte aber nur einen Tag und war nicht wirklich mies).
Als der Zug dann endlich kam, war der leider vollkommen übervoll und sämtliche Plätze waren reserviert, sodass wir noch 2 Stunden im Zug stehen mussten (es ist ein merkwürdiges Gefühl, im Stehen einzuschlafen ;))
Und hiermit endet mein Dezemberbericht, mit den ersten Stunden des neuen Jahres, die wir in sehr gemütlichen und erholsamen Stunden im Zug verbrachten. Ich bin gespannt auf das neue jahr 2011 und hoffe, dass es ein schönes Jahr mit keinen Verlusten wird. Das wünsche ich euch allen =)

1 Kommentar:

  1. das hört sich ja schön an und danke nochmal für das schöne packet mit den saris und so..habe mich echt riesig gefreut....
    lg aylin

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